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11.09.2017

Das wird nichts mit dem Elektromotorrad

Sogenannte "Praxistests", in denen sich die Autoren über die geringe Reichweite und die langen Ladezeiten von Elektroautos aufregen, langweilen mich zu Tode. Dieses "Ich wollte doch nur 300 Kilometer zur Oma in den Westerwald fahren, und nicht mal das funktioniert" ist so sinnlos wie irreführend. Die Erkenntnis, dass es Nutzungsmodelle gibt, die nicht zum Elektroauto passen, sollte sich bei technikaffinen Journalisten mittlerweile durchgesetzt haben. Und sie spricht ja nicht im geringsten dagegen, dass es auch Fahrprofile gibt, für die sich ein E-Fahrzeug sehr gut eignet. Praktisch jeder, der nicht täglich zur Oma in den Westerwald muss, sondern sein Auto überwiegend zur beruflichen Pendelei nutzt, könnte heute schon elektrisch fahren. Die Reichweite aktueller Modelle wie Renault Zoe, Nissan Leaf oder BMW i3 lässt das locker zu. Und wenn man wirklich alle zwei Monate mal die Oma besucht, dann kann man sich auch einen Mietwagen nehmen (oder das E-Auto ist ohnehin das Zweitfahrzeug).
Beim Motorrad sieht das anders aus, wie ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe von "Motorrad" zeigt. Die Kollegin Eva Breutel hat gemacht, was man mit einem Motorrad eben macht: Auf Landstraßen durchs Gebirge zu fahren - in diesem Fall von Bozen nach München. Mit ihren 11,7 kWh elekrischer Energie kam die Energica in der Praxis 70 bis 100 Kilometer weit. Fünf mal musste die Fahrerin auf den 450 Kilometern nachladen. Immerhin besitzt die Maschine eine Schnellladefunktion, aber die wenigen Power-Stationen verlangten auch immer eine entsprechende Streckenwahl.
Das für Motorräder typische Nutzungsprofil verträgt sich eben doch nicht mit den Eigenschaften des Elektroantriebs. OK: Für die Stadt ist ein E-Roller ideal, aber darüber spreche ich hier nicht. Mit Motorrädern will ich mindestens 200 Kilometer am Stück über kleine, abgelegene Straßen fahren, und das in einem Tempo von mindestens 100 km/h. Danach will ich noch 50 Kilometer Reserve haben. Und Tagesetappen von 500 Kilometern oder mehr sollten machbar sein, wenn ich Bock drauf habe.
All das dürfte mit einem batterieelektrisch betriebenen Motorrad auch in Zukunft schwer umzusetzen sein. Das Problem ist die Geometrie. Beim Auto lassen sich die Batterien sehr schön im Unterboden verstecken; der E-Antrieb ist packagemäßig ein Traum. Beim Zweirad ist er ein Alptraum: Weil der Fahrer auf dem Motorrad sitzen können muss und es eine gewisse Schräglagenfreiheit braucht, kann das Batteriepaket nur stehend eingebaut werden und darf eine gewisse Größe nicht überschreiten. Die Energica ist mit ihrem 100-Kilo-Akku und ihrer Gesamtmasse von 301 Kilogramm schon an der Grenze des Sinnvollen angelangt. Auch wenn sich die Batterietechnik weiterentwickelt und die angekündigte Verdoppelung des Speichervermögens pro Kilogramm tatsächlich eintritt, wird es schwer, jemals auf mehr als 200 Kilometer Reichweite zu kommen. Und die Ladezeiten verdoppeln sich natürlich auch!
Das ist insofern schade, als dass der Elektromotor als Antrieb auch im Motorrad großen Charme besitzt. Ich bin die Eva noch nicht gefahren, aber ich glaube, das Ding macht Spaß. Um in Zukunft einen so leisen, sauberen und drehmomentstarken Motor nutzen zu können, braucht es ein anderes Energieversorgungskonzept. Am besten einen seriellen Hybrid - mit einer Brennstoffzelle oder einen superkompakten Verbrenner, der einen Generator antreibt. Ich weiß nicht, ob die Industrie ernsthaft an so etwas arbeitet - aber ich hoffe es.